Closing the bones – Ein Schließungsritual

Reinigendes Bad am Anfang des Closing Rituals

Ich liege in der Badewanne, mein Lieblingslied läuft und ich bin sanft eingehüllt in wärmendes Wasser. Um mich herum schwimmen Rosenblüten, deren betörender Duft mir in die Nase steigt und ein wohliges Gefühl in mir auslöst. Die Rose ist ein Sinnbild für mich, denn ihr Duft hat mich bereits durch die Schwangerschaft getragen und während der Geburt begleitet und erinnert mich deshalb intensiv an meine Reise als Mama. Unter den Blütenblättern sind auch jene Getrocknete, die ich von meinem Mother’s Blessing, der Zeremonie, die die Schwangere und die bevorstehende Geburt ehrt, aufgehoben habe. Damals habe ich mein Baby schützend unter dem Herzen getragen und meine Freundinnen sind mit mir im Kreis zusammengekommen, um mich, meinen Körper und mein Baby zu feiern. Wie verrückt es doch ist, denn nun ist mein Kleiner bereits auf der Welt und hat unsere kleine Familie noch einmal ganz anders zusammen wachsen lassen. Heute findet mein Closing the bones Ritual statt. Durch die Zeremonie, in der der Frauenkörper durch ein mögliches Bad gereinigt und dann fest von Tüchern umwickelt wird, bekommt er und auch die Seele der Frau die Möglichkeit sich nach der Geburt wieder zu schließen. Meine drei Geburten habe ich ganz unterschiedlich erlebt. Von der ersten sehr interventionsreichen, traumatischen Krankenhausgeburt über die zweite Geburt mit Beleghebamme an meiner Seite und bis zur letzten Geburt, die ich zu Hause erleben durfte, haben doch alle eins gemein. Denn ich fühlte mich danach immer irgendwie nach „unten hin“ und im Herzen weit offen. Durch diese Offenheit war ich auf der einen Seite in der Lage reine und bedingungslose Liebe geben zu können, aber auf der anderen Seite war ich auch so verletzlich wie noch nie zuvor in meinem Leben. Als ich vom Closing the bones erfuhr, war gespannt darauf und wollte es unbedingt auszuprobieren. Wie würde ich es empfinden und wie würden sich mein Körper und meine Seele danach anfühlen?

Schwangerschaft und Geburt revue passieren lassen

So liege ich also in meiner Badewanne. Ganz gelöst nehme ich meinen Körper das erste Mal wieder ganz und gar für mich wahr. Ich habe Zeit. Zeit nur für mich. Ich schließe meine Augen und tauche in meine Innenwelt ab und sofort kommen Bilder zu mir. Ich sehe mich unter der ersten Geburt, meine Schmerzen, meine Ängste, das Gefühl alleine zu sein und höre mich verzweifelt laut schreien. Tränen rollen über meine Wangen. Reinigende Tränen. Heilende Tränen. Auch Fragmente der Geburt meines zweiten Sohnes dürfen kommen und ich erlebe auch diese noch einmal, ganz real, hautnah. Und schließlich sehe ich mich unter der Geburt meines dritten Babys, die noch gar nicht lange zurück liegt. Ich nehme mich als kraftvolle, selbstbestimmte Frau wahr, die gemeinsam mit ihrem Baby und ihrem Körper die Geburt durchschreitet und sie als Fest in ihrer ganzen und wunderbaren Wucht vertrauensvoll feiert. Stolz, Glück, Dankbarkeit und Liebe durchfluten meinen Körper und ich lasse auch jetzt die Tränen frei laufen.

Der Frauenkörper als Wunder der Natur

Intuitiv spüre ich, dass mein Körper berührt werden möchte. Ich streiche sanft über meine Arme und ich sehe, wie ich mein Baby und meine beiden großen Jungs damit halte. Ich berühre meine Brüste, die gerade einem weiteren Menschlein Nahrung, Nähe und Schutz geben. Ich liebkose meinen Bauch, der faltig und weich ist, sich platzmachend gedehnt hat und der in seinem Inneren verborgen meine Gebärmutter trägt. Ich fühle sie und das zu Hause, was sie meinen drei Kindern gegeben hat. Voller Wärme berühre ich sanft meine Yoni und spüre die Narbe, die sie seit der ersten Geburt trägt und die bei jeder weiteren Geburtsreise immer wieder aufgegangen ist. Ich nehme die Weitung und die Weichheit, die ihr inne wohnt, wahr. Ich berühre meine Beine und meine Füße und weiß anerkennend um die Kraft, die sie haben, um mich Tag für Tag durch mein Leben zu tragen. Wow, was bin ich nur für ein Wunder! Diese Minuten nehme ich als unglaubliche Besonderheit und als Geschenk wahr. Ich atme. Weiter gibt es nichts zu tun. Nichts. Als ich die Augen öffne wabern die Rosenblätter um mich herum. Sie erscheinen mir wie Inseln meines Lebens. Einige Rosenblätter sind weit weg und erinnern mich an Vergangenes, einige sind ganz nah und so liegt auch das Erlebte noch nicht lange zurück. Doch als ich mich bewege und das Wasser in sanfte Bewegung versetze, gleiten Rosenblätter zu mir, die anfangs in weiter Ferne waren und nun wieder ganz nah bei mir sind. Es kommt mir so vor, als ob alles in einem Kreislauf vereint ist. Jedes Ereignis in meinem Leben hat einen Platz, ist ein Teil von mir und wird niemals vergessen werden. Ich betrachte die Rosenblätter und fühle mich vollkommen. Vollkommen in dem Moment. Mit allem, was ist. Mit allem, was war. Mit allem, was sein wird. Mit allem, was ich bin.

Umhüllt von Tüchern - Der Körper schließt sich

Nun bin ich bereit und steige aus der Badewanne heraus und begebe mich aus einer Zeitreise der Vergangenheit in die Gegenwart. Ich creme mich von Kopf bis Fuß mit einem duftenden Rosenöl ein. Es riecht so unglaublich gut und alles fühlt sich so rein an. Ich habe das Gefühl, als sei ich selbst ein Baby, das gerade das Licht der Welt erblickt hat. Mit dem wachsamen und neugierigen Blick eines Neugeborenen betrete ich unser Wohnzimmer. Hier in diesem Zimmer habe ich mein drittes Kind geboren. Ein heiliger Ort für mich, der von meinen Freundinnen Inken und Julia liebevoll hergerichtet wurde. In der Mitte des Raumes liegt eine Matratze, die von einer gehekelten Decke meiner Oma bedeckt ist. Zu ihr gesellt sich eine „Quilt-Coperta“ in Handarbeit von meinen besten Freundinnen für mich angefertigt. Symbolisch sind so meine Ahninnen und meine Familie anwesend, aber auch meine Freundinnen, die mich schon so lange in meinem Leben begleiten. Darauf sind die unterschiedlichsten Tücher ausgebreitet worden und auch das Tragetuch, in dem ich mein Baby gerade so oft ganz nah am Körper habe. Drei Elefanten sind um das Kissen am Kopfende platziert. Jeder steht für ein Baby, was ich geboren habe. Um die Matratze herum, sind verschiedenste Dinge gestellt worden, die ich im Vorfeld zusammengesammelt und die mich in meiner Schwangerschaft begleitet haben. Mein Vorsorgebuch, meine Affirmationskarten, Bücher und Briefe an mein Baby. Bis jetzt konnte ich sie irgendwie noch nicht wegräumen. Aber heute habe ich gefühlt, dass ich mit der Schwangerschaft abschließen und damit auch sie loslassen kann. Ich darf mich auf die Matratze und die Tücher legen und bin bereit in meinen Körper zu gehen. Langsam werde ich von Inken und Julia von Kopf bis Fuß in die Tücher eingewickelt. Meine Hände, mein Mund und meine Nase bleiben frei. Es ist ein angenehmes Gefühl, ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte, denn es fühlt sich kein bisschen beengend an. Es ist wie eine Art Kokon, der mich sanft umgibt und mich auf meiner Transformationsreise in eine sichere Hülle verpackt. Mein ganzer Körper wird gehalten ohne, dass ich mich anstrengen muss. Ich spüre Stabilität und tiefe Verbundenheit zur Erde. Fast kommt es mir so vor, als würde ich in der Gebärmutter meiner Mutter sanft hin und her gewiegt. Völlige Stille umgibt mich. Ich höre meinen Herzschlag, meinen Atme und weiß, dass ich am Leben bin. Ich lebe und habe Leben geschenkt. Ich bin Frau und Mama. Die Gedanken kommen und gehen. Und irgendwann kommt zur Äußerlichen auch die innere Stille. Zuerst ist es dunkel. Völlig dunkel, doch dann kommen Farben zu mir, die so angenehm sind und meinen Geist einzuhüllen vermögen. Völliger Stillstand. Völliges Genießen. Völliges Schließen.

Körper eingehüllt in Tüchern. Schließungsritual Closing the Bones

Transformation - Ein Abschluss und ein Neubeginn

Als ich dort so eingehüllt liege, höre ich auf einmal leise Trippelschritte und ein Knarzen der Holzdielen. Mein Großer kommt auf leisen Sohlen ins Wohnzimmer geschlichen, dicht gefolgt von meinem Mann, der unser Baby auf dem Arm trägt. Mein Großer flüstert: „Papa, Mama ist eine Mumie!“ Die Stille ist durchbrochen und ich muss, eingewickelt in den Tüchern, lachen. Es ist so urkomisch in diesem Moment und gleichzeitig so passend. Mir kommen meine Vorstellungen an den heutigen Vormittag in den Sinn. Ich wollte alleine sein und hatte mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass es einmal im ganzen Haus ruhig ist und ich nur für mich Zeit habe. Es war alles organisiert, doch plötzlich wollte mein Großer nicht mehr zu seiner Verabredung gehen und auf einmal waren wieder zwei Kinder zu Hause. Ein Gefühl der Enttäuschung machte sich in diesem Moment in mir breit, doch jetzt von meinem sicheren Kokon umgeben, denke ich: „Ja, genau das ist das Leben. Das ist mein Leben und es ist voller Überraschungen!“ Dann kehrt erneut Ruhe ein und plötzlich sind da noch einmal Bilder von der ersten Schwangerschaft, die so voller Ängste war und auch die Geburt, die Traumatisches auf meiner Seele hinterließ. Ich schaue mir alles an und auf einmal wird mir klar, warum mein Großer heute hier mit mir ist. Es soll genauso sein. Da sollen nochmal Dinge angesehen werden, und ich bekomme mit ihm gemeinsam die große Chance, Wunden heilen zu können. Ich spüre zu meinem Herzen und weiß, dass wir verbunden sind. Mutter und Sohn. Von Herz zu Herz. Immer. Ich fühle die Transformation. Ich spüre sie in allen Körperteilen. Mein Körper schließt sich und auch meine Seele. Es ist ein Loslassen, ein Ankommen, ein Verzeihen, ein Akzeptieren, ein Nochmal-Erleben. Ein unglaubliches Erlebnis das mir Frieden bringt. Dann werde ich ausgewickelt. Langsam, vorsichtige, behutsam. Ich verlasse meinen schützenden Kokon und nehme mir ganz viel Zeit, um wieder anzukommen. Als ich die Augenlieder aufmache, bin ich umgeben von einem Orange, das unglaublich intensiv ist und mich im ersten Augenblick völlig einnimmt. Es kommt mir so vor, als würde ich in gleißendem Sonnenlicht stehen. Ich werde mir darüber bewusst, dass ich meinen Kleinen immer als dieses wahrgenommen habe. Hell, strahlend, warm, glückseelig, voller Leichtigkeit und Lebensfreude. Das Closing hat damit einen für mich perfekten Abschluss. Ich genieße dieses reine Orange und weiß, dass ich angekommen bin. In meinem Körper. Als Mama. Als Partnerin. Als Frau. In mir. Und ich weiß, dass ich alles schaffen kann.

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Die Autorin

Katrin Michel lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Durch die Schwangerschaften und die Geburten ihrer drei Söhne hat sie ihr Herzensthema gefunden. So arbeitet sie in ihren Yoga- und Meditationskursen und in den Frauenkreisen vor allem mit Schwangeren und Müttern. In ihren 1:1 Sessions begleitet sie Frauen in jeden Übergangsphasen ihres Lebens. Sie ist Buchautorin von „Mama werden, Mama sein“, „Meditationen für Mamas“ und „Bald bin ich da“. Zudem ist sie Mitgründerin der Gebärmütter, dem Netzwerk für Schwangerschaft, Geburt, Familie und dem Frausein. Mit ihrer Kollegin Inken Arntzen hat sie ein eigenes Geburtsvorbereitungskonzept DEINE KOSMISCHE GEBURT entwickelt, welches auch als Onlinekurs verfügbar ist. Videos, Hypnosen, Live-Calls, Kreativität und Selbstcoachingübungen bereiten auf eine Geburt im Vertrauen vor. Katrin bildet mit Inken Frauen aus, die ebenfalls Mama-Blessings und Ritualarbeit anbieten wollen. Das Mother’s Blessing Teacher Training ist ab August als Onlinekurs verfügbar. Mehr kannst du auf www.gebaermuetter.de erfahren. Mehr zu Katrin erfahrt ihr unter kamija oder auf Instagram @katrin_michel_

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Mother’s Blessing Teacher Training - Ein Erfahrungsbericht von Birgit Bhavani Sassenhagen

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Geburt als Initialzündung für eine sich vertiefende Sexualität